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Forschung: Ältestes Bier Deutschlands entschlüsselt

Vor kurzem wurde in Norddeutschland ein Bier aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs gefunden. Das Bier aus dem Jahr 1885 haben nun Forschende der Technischen Universität München (TUM) sensorisch und analytisch charakterisiert. Seine chemische Signatur bietet einzigartige Einblicke in die technologischen Aspekte des historischen Bierbrauens.

von | 30.09.22

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30.09.2022 Ι Vor kurzem wurde in Norddeutschland ein Bier aus der Zeit des Deutschen Kaiserreichs gefunden. Das Bier aus dem Jahr 1885 haben nun Forschende der Technischen Universität München (TUM) sensorisch und analytisch charakterisiert. Seine chemische Signatur bietet einzigartige Einblicke in die technologischen Aspekte des historischen Bierbrauens.

Nach fast 140 Jahren öffneten Forschende der TUM ein Lagerbier, das durchgängig bei Raumtemperatur aufbewahrt wurde. Die Bierflasche war mit Korken, Draht und Wachs versiegelt und lagerte stehend und unter atmosphärischem Druck in einem Gewerbegebäude. Die Analysen enthüllten das molekulare Profil des Bieres und bescheinigten ihm einen beispiellos guten Lagerungszustand, selbst nach 130 Jahren in der Flasche.

Aromen von Sherry, Port und Pflaumen

Die sensorische Analyse zeigte ein stimmiges und ausgewogenes Bier, das Aromen von Sherry, Port und Pflaumen enthielt. „Es war sehr harmonisch im Gesamteindruck und in der Bitterkeit. Insgesamt ist es ein sehr schlankes, elegantes, harmonisches Bier, das immer noch ganz hervorragend riecht und schmeckt“, so Dr. Martin Zarnkow, Leiter Technologie und Entwicklung im Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität.

Molekulare Signatur mit modernen Bieren vergleichbar

In Zusammenarbeit mit der von Prof. Philippe Schmitt-Kopplin geführten Comprehensive Foodomics Plattform am Lehrstuhl für Analytische Lebensmittelchemie wurde das molekulare Profil des Bieres der Deutschen Kaiserzeit umfassend analysiert. Die Studie zeigt, dass die Signatur des historischen Bieres, abgesehen von einer starken Oxidation der Hopfenbestandteile, mit modernen, industriell gebrauten Bieren vergleichbar ist. Die einzelnen Produktionsschritte des Mälzens und Brauens, wie Würzeaufbereitung, Gärung, Filtration und Lagerung hinterließen eine nachweisbare molekulare Signatur.

Die Forschenden verglichen die chemische Signatur der Bierprobe mit den molekularen Profilen von 400 modernen, nationalen und internationalen Bieren und ordneten die Probe als typisches helles Lagerbier ein. Unterscheidungsmerkmale der Analyse waren der Biertyp, die Art der Gärung, die Einhaltung des Reinheitsgebots, das verwendete Getreide und die Signatur der Maillard-Reaktion. Letztere ist für Aroma und Farbe des Bieres wesentlich und war in der historischen Bierprobe in einer hohen Konzentration nachweisbar. Durch den Abgleich ist sei Zarnkow zufolge eine Datenbank entstanden, die es ermögliche, die Technologie hinter einem Produkt zu verstehen.

Bierbrauen mittels Filtrationsapparat

Im Vergleich der historischen und modernen molekularen Referenzen zogen die Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Brauweise des 19. Jahrhunderts. Dabei zeigte sich, dass das Lagerbier in einem untergärigen Verfahren gebraut wurde. Dieser Herstellungsprozess bevorzugt eine Temperatur von wenigen Grad Celsius und wurde erst mit der Erfindung des Kühlapparates von Linde in den 1870er Jahren ganzjährig praktikabel. Die mikrobiologische Analyse stellte fest, dass das Bier gefiltert wurde. Dies geschah 1885 wenige Jahre nach der Erfindung des ersten Filtrationsapparates. Eine geringe Milchsäurekonzentration in der Bierprobe und die Rolle von Niacin als Indikatorverbindung für unzureichende Entkeimung lieferten den Forschenden weitere Erkenntnisse über das historische Brauwesen.

Zudem fanden die Wissenschaftler heraus, dass das Bier in Norddeutschland nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde. Für Dr. Zarnkow eine Überraschung, da das Bier aus einer Region kommt, die zu der Zeit nicht nach dem Reinheitsgebot hätte brauen müssen.

Zur Originalpublikation

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