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Forschung: Erweiterung der Turbulenz-Theorie

30.03.2023 Ι Die Innsbrucker Meteorologin Ivana Stiperski hat einer Presseinformation des idw zufolge die seit fast 70 Jahren gängige Turbulenz-Theorie erweitert. Die Forscherin ebnet damit erstmals den Weg zu einer allgemeingültigen Theorie zu Turbulenz über komplexem Terrain. Bisher bezog sich die Theorie nur auf flaches Gelände. Turbulenz ist der wichtigste Austauschmechanismus zwischen der Erdoberfläche und […]

von | 30.03.23

Ivana Stiperski und Studierende des Kurses „Alpinmeteorologisches Geländepraktikum“ beim Aufbau der Instrumente an der i-Box-Station „Hochhäuser“ in der Gemeinde Kolsassberg im Inntal. (Foto: IDW, Tobias Posch)
idw Tobias Posch Turbulenzen Theorie
idw Tobias Posch Turbulenzen Theorie
30.03.2023 Ι Die Innsbrucker Meteorologin Ivana Stiperski hat einer Presseinformation des idw zufolge die seit fast 70 Jahren gängige Turbulenz-Theorie erweitert. Die Forscherin ebnet damit erstmals den Weg zu einer allgemeingültigen Theorie zu Turbulenz über komplexem Terrain. Bisher bezog sich die Theorie nur auf flaches Gelände.

Turbulenz ist der wichtigste Austauschmechanismus zwischen der Erdoberfläche und der darüber liegenden Atmosphäre und ist entscheidend für genaue Wettervorhersagen und Klimaprojektionen. Dieser Mechanismus bleibt jedoch eines der letzten großen Rätsel der klassischen Physik und Mathematik. Ivana Stiperski, Leiterin der Forschungsgruppe „Atmospheric Turbulence“ am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck, widmet sich der Erforschung von Turbulenz über Gebirgen im Rahmen eines ERC-Consolidator-Grants.

„Turbulenz beeinflusst unterschiedliche Phänomene wie Klima, Sturmsysteme, Luftverschmutzung und Gletscherschmelze. Genaue Wettervorhersagen und Klimaprognosen erfordern daher eine präzise Beschreibung der Turbulenz. Über komplexem Gelände von Gebirgsregionen ist dies besonders schwierig, da sehr wenig darüber bekannt ist, wie dieses Terrain die Turbulenz verändert. In den vergangenen 70 Jahren waren keine großen Fortschritte in der Weiterentwicklung der Theorie zu verzeichnen“, erklärt Stiperski.

Bisherige Turbulenz-Theorie überholt

Bisher beruhte das Verständnis der atmosphärischen Turbulenz und ihrer Berücksichtigung in Wetter- und Klimamodellen auf der so genannten Ähnlichkeitstheorie, genauer gesagt auf der 1954 erstmals beschriebenen „Monin-Obukhov-Ähnlichkeitstheorie“. Diese jahrzehntealte Turbulenz-Theorie geht jedoch davon aus, dass die Erdoberfläche flach und horizontal homogen ist – also einheitliche Merkmale in der Horizontalen aufweist, wie etwa unendliche Gras- oder Maisfelder. Sie ist daher nicht repräsentativ für den Großteil der Landoberfläche der Erde. „Diese letzlich inkorrekte Darstellung der Turbulenz trägt zu Ungenauigkeiten in Wettervorhersagen und Klimaprojektionen bei“, ergänzt Ivana Stiperski.

Theorie für komplexes Gelände

Ziel der Forscherin ist es, eine verallgemeinerte Theorie zu entwickeln, die für alle realistischen atmosphärischen Bedingungen gilt. Ein erster großer Schritt in diese Richtung ist nun gelungen.

„Rund 70 Prozent der Erdoberfläche sind durch eine heterogene, gebirgige Struktur gekennzeichnet, also ein komplexes Gelände wie zum Beispiel hier in Tirol. In unserer Studie verwenden wir ein einzigartiges Ensemble aus großen Messdatensätzen und Techniken des maschinellen Lernens, um neue Ähnlichkeitsbeziehungen zu entwickeln“, beschreibt Ivana Stiperski den Ansatz der neuen Studie, die in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht und als „Editor’s Suggestion“ hervorgehoben wurde.

Erweiterung auf komplexes Gelände

In ihrer neuen Theorie verwendet die Meteorologin eine neue Schlüsselvariable in die Berechnungen: „In unserem neuartigen Ansatz beziehen wir die so genannte Anisotropie mit ein, also die Information darüber, wie Energie in der Turbulenz in verschiedene Raumrichtungen verteilt ist. Wir zeigen, dass diese Größe Informationen über die Komplexität der Oberflächen- und Strömungsbedingungen, die die Turbulenz antreiben, kodiert. So können wir die Ähnlichkeitstheorie auf komplexes Terrain ausweiten und kommen einer einheitlichen Theorie komplexer atmosphärischer Turbulenz näher.“ Der Ansatz ermöglicht eine korrektere Darstellung von Turbulenzeffekten in Wetter-, Klima- und Luftverschmutzungsmodellen. „Dies ist besonders wichtig für das Verständnis und die Vorhersage von Wetter- und Klimaprojektionen in Gebirgs- und Polarregionen, da die Ähnlichkeitstheorie dort regelmäßig versagt. Diese Regionen sind besonders anfällig und erleben bereits eine beispiellose Erwärmung aufgrund der Klimakrise. Eine genaue Beschreibung der weiteren Entwicklungen ist dahervon entscheidender Bedeutung“, betont Ivana Stiperski.

Originalpublikation

Generalizing Monin-Obukhov Similarity Theory (1954) for Complex Atmospheric Turbulence
Ivana Stiperski and Marc Calaf
Phys. Rev. Lett. 130, 124001 24 March 2023
DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.124001 (https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.130.124001)

Zur vollständigen Pressemeldung von Melanie Bartos

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