Welche Themen sehen Sie akut für die Kreislaufwirtschaft, auch über die Kunststoffbranche hinaus?
Manfred Renner: Damit die Kreislaufwirtschaft flächendeckend in Fahrt kommt, sind andere Produktdesigns, Stichwort Eco-Design, Materialien und deren Kombination, Technologien sowie Anreize nötig. Ohne Leitplanken und auch Regulatorik wird es auch nicht gehen. Entscheidend wird jedoch sein, dass die Akteure in der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten – und zwar über einzelne direkt verbundene Stufen hinweg. Erst dann wird es gelingen, lineare Wertschöpfung zu krümmen und schließlich zu einem Wertschöpfungskreislauf zu transformieren. Dies gilt für alle Branchen und Schnittstellen.
Die Projekte im Fraunhofer CCPE nutzen diesen Multistakeholder-Ansatz bereits für die Kunststoffindustrie. Durch die Kombination von System-Know-how und Technologien entstehen so Lösungen für kleine und große Kreisläufe.
Ein weiteres großes Thema ist die Beantwortung der Frage, wie der Konsum der Zukunft aussehen kann. Wie können Mehrwerte für die Konsumenten entstehen, die eine höhere Zufriedenheit bei gleichzeitig vermindertem Konsum schaffen. Antworten können der Konsum einer geringeren Anzahl von Produkten höherer Qualität sein oder die Nutzung von Produkten statt deren Kauf. Hierzu dient das Geschäftsmodell Product-Service-System. Dies wird zu weiteren neuen, innovativen Geschäftsmodellen führen. Auch damit beschäftigen wir uns im Fraunhofer CCPE intensiv.
Plattform für die industrielle Kreislaufwirtschaft
Ist dieses Streben nach dem Multistakeholder-Ansatz auch der Grund für Ihre wissenschaftliche Begleitung an der Circular Valley Convention, die vom 12. bis 13. März 2024 in Düsseldorf stattfindet? Was erwarten Sie von diesem neuen Format?
Manfred Renner: Die Circular Valley Convention ist eine hervorragende Gelegenheit, mit allen Stakeholdern aus den verschiedenen Branchen zum Thema Kreislaufwirtschaft ins Gespräch zu kommen und neue Impulse zu setzen – nicht nur in Bezug auf Deutschland, sondern auch international. Zusammen mit der Messe Düsseldorf und der Circular Valley Stiftung erstellen wir gerade ein vielfältiges Konferenzprogramm, in dem das gesamte Spektrum zirkulärer Lösungen, Strategien und Geschäftsmodelle abgebildet wird. Erste Sprecher aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft konnten wir bereits gewinnen.
Begleitet wird die Konferenz von einer Messe und einer Abendveranstaltung. Diese bieten die Möglichkeit, vertiefender Gespräche und somit die Vernetzung nochmal intensiver voranzutreiben. Natürlich wird Fraunhofer CCPE vertreten sein.
Beschäftigung mit R-Strategien
Sie haben gerade auch notwendige Regularien angesprochen. Beim 2. Dialogforum zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke haben Sie mitgewirkt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Entwurf und was nehmen Sie daraus für sich mit?
Manfred Renner: Der offene Austausch über die Kreislaufwirtschaft mit den unterschiedlichen Vertreterinnen und Vertretern unter Leitung von Frau Lemke war äußerst informativ und anregend. Den Beteiligungsprozess zu diesem Entwurf kann ich nur begrüßen und hoffe sehr, dass dieser Dialog über die verschiedenen Gremien, Gewerkschaften, Ländern etc. weitergeführt wird.
Um die Leitziele, den Verbrauch von Rohstoffen zu verringern und Abfall zu vermeiden, zu erreichen, müssen sich nach meiner Auffassung auch Geschäftsmodelle der Unternehmen verändern. Ich empfehle, sich in diesem Prozess mit den R-Strategien der Circular Economy zu beschäftigen: Refuse, Rethink, Reduce, Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacture, Repurpose, Recycle und Recover.
Wie wichtig die Vernetzung der einzelnen Stakeholder ist, wird durch die zwei weiteren Leitziele der NKWS nochmal bestätigt: Stoffkreisläufe schließen und Unabhängigkeit von Rohstoffimporten stärken. Hierzu braucht es ausgefeilte Technologien und intelligente Managementmethoden. Das bringe ich gern in die NKWS ein.