Gegenstand der Analyse waren 1.500 Politikmaßnahmen aus 41 Ländern über 6 Kontinente und mehr als zwanzig Jahre hinweg. Erstmals liefern die Ökonominnen und Ökonomen damit ein detailliertes Bild zur Wirksamkeit von Politikinterventionen der Vergangenheit und zeigen, dass viele politische Maßnahmen keine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß erzielen. Die Forschenden identifizierten im Laufe der Untersuchungen lediglich 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik, die zu nennenswerten Emissionsminderungen von durchschnittlich 19 Prozent geführt haben.
Erste umfassende Analyse ihrer Art
Eines haben die Erfolgsfälle gemein: Diese Politikpakete setzen auf die Hebelwirkung von Steuer- bzw. Preisanreizen.
Welche Politikmaßnahmen beim Klimaschutz wirken und welche nicht, ist ein viel diskutiertes Thema. Wissenschaftlich analysiert wurde bislang jedoch lediglich die Wirkung einzelner Politikinstrumente, während hunderte andere umgesetzte Maßnahmen nicht evaluiert wurden. Unter der Leitung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sowie des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) wollen die Forschenden diese Lücke jetzt schließen. Dabei arbeiten sie mit Fachleuten der Universität Oxford, der Universität Victoria und der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zusammen. Der „Climate Policy Explorer“ gibt als begleitendes Dashboard zusätzlichen Überblick über die Ergebnisse, Analyse und Methoden und steht als interaktives Angebot öffentlich zur Verfügung.
„Unser Ansatz liefert insbesondere neue Erkenntnisse zur wirksamen Kombination von Klimapolitikinstrumenten. Daraus leiten wir bewährte Best-Practises ab – quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr und sowohl in Industrieländern als auch in den oft vernachlässigten Entwicklungsländern“, erklärt Leitautor Nicolas Koch vom PIK und MCC. „Unsere Ergebnisse verdeutlichen: Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen an. So reicht es zum Beispiel nicht, auf Subventionen oder Regulierung allein zu setzen, nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2– und Energiesteuern, können Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden“.
Kombinierte Maßnahmen versprechen größere Erfolge
Ein Beispiel hierfür sind Verbote für Kohlekraftwerke im Stromsektor oder von Verbrennerautos im Verkehr: Die Forschenden finden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion, wenn das Verbot allein eingeführt wurde. Erst im Tandem mit Steuer- bzw. Preisanreizen führen die Maßnahmen zum Erfolg, wie die Ergebnisse etwa für Großbritannien bei der Kohleverstromung oder in Norwegen bei Autos zeigen.
Die systematische Evaluierung von Politikmaßnahmen berücksichtigt mit 1.500 untersuchten Interventionen aus der Zeit von 1998 bis 2022 die ganze Palette von Politikinterventionen. Von energetischen Bauvorschriften über Kaufprämien für klimafreundliche Produkte bis hin zu CO2-Steuern wurden unterschiedlichste Maßnahmen miteinbezogen. Die Forschenden arbeiten dabei mit einer neuen Datenbank der OECD, die die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der weltweit umgesetzten Klimapolitik darstellt.
Der Ansatz kombiniert Methoden des maschinellen Lernens mit etablierten statistischen Verfahren. Das ermöglicht es den Forschenden, erstmals eine detaillierte Analyse aller erfassten Politiken durchzuführen. Das Ziel: Diejenigen Maßnahmen zu identifizieren, die signifikante Emissionsreduktionen erzielen konnten.
„Auch wenn es schwierig bleibt, die Wirkung einzelner Maßnahmen in einem Mix genau zu entschlüsseln, gewinnen wir aus unseren 63 Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen und wie der Erfolg von Instrumenten vom Sektor aber auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängt“, erklärt Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK und MCC. „Wir glauben, dass dieses Orientierungswissen von großer Bedeutung ist, um Politik und Gesellschaft bei der Transformation zur Klimaneutralität zu unterstützen.“
Climate Policy Explorer
Diese und weitere Ergebnisse der Studie lassen sich im begleitend veröffentlichten Climate Policy Explorer interaktiv nachvollziehen. Im Industriesektor zeigt das Beispiel China, wie nach der Einführung von Emissionshandelssystemen im Pilotprojekt nach einigen Jahren effektiv Emissionen reduziert werden konnten. Entscheidend waren hier jedoch auch der Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkere Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen. Im Stromsektor stellen die Forschenden deutliche Emissionsreduktionen in Großbritannien fest. DIese sind einerseits auf die Einführung eines CO2-Mindestpreises zurückzuführen, waren andererseits aber auch Teil eines breiteren Ansatzes mit Subventionen für erneuerbare Energien und einem Ausstiegplan aus Kohlekraftwerken. Die USA sind ein Beispiel für erfolgreiche Emissionsreduktionen im Verkehrssektor. Grund dafür sind unter anderem Steueranreize und Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge sowie CO2-Effizienzstandards. In Deutschland haben die Forschenden für den Verkehr die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der LKW-Maut in 2005 als Erfolgsfälle identifiziert.
Der “Climate Policy Explorer” ist hier als eigenständige Internetseite frei verfügbar und ermöglicht tiefergehenden Einblick in spezifische Länder, Sektoren und politische Maßnahmen.