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Projekt RoKKa: Rohstoffe aus Kläranlagen gewinnen

Dass Kläranlagen nicht nur Abwasser reinigen, sondern vielmehr zu einer klimaschonenden Kreislaufwirtschaft beitragen können, zeigt nach drei Jahren Forschung, Entwicklung und Betrieb das Projekt „RoKKa – Rohstoffquelle Klärschlamm und Klimaschutz auf Kläranlagen". Auf der Kläranlage Erbach (Donau) haben zehn Projektpartner zukunftsweisende Verfahren zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abwasser pilotiert und über mehrere Monate erprobt.

von | 06.01.25

In RoKKa wurden auf der Kläranlage Erbach neue Verfahren zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abwasser pilotiert und über mehrere Monate erprobt.
Quelle: Frank Eppler/Umwelttechnik BW
Mit Kläranlagen Rohstoffe zurückgewinnen

Mit neuen Verfahren können Kläranlagen zu einer kommunalen Kreislaufwirtschaft und zum Klimaschutz beitragen. Dies zeigt das durch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und Umwelttechnik BW koordinierte Verbundprojekt RoKKa. Auf der Kläranlage der Stadt Erbach (Donau) haben zehn Projektpartner sieben Demonstrationsanlagen betrieben. Diese lassen sich auch als eigenständige Module auf bestehende Kläranlagen integrieren.

RoKKa macht sich die Klärschlammfaulung zunutze, bei der organische Stoffe aus dem Abwasser vergärt werden, um Biogas als erneuerbaren Energieträger zu produzieren. Seit 2016 setzt auf der Kläranlage Erbach eine Hochlastfaulung den anfallenden Schlamm schneller und effizienter zu Faulgas um als herkömmliche Verfahren. Nach der Faulung wird der Schlamm entwässert, um sein Volumen zu verringern. Bei diesem Filtrationsschritt entsteht ein Schlammwasser, das reich an den Pflanzennährstoffen Phosphor und Stickstoff ist.

„Da sich Stoffe umso besser zurückgewinnen lassen, je höher sie konzentriert sind, setzen wir genau hier in RoKKa an”, erklärt Dr.-Ing. Marius Mohr, Projektleiter von RoKKa und Leiter der Abteilung Wassertechnologien, Wertstoffgewinnung und Scale-up am Fraunhofer IGB.

Erhöhter Energieverbrauch durch Stickstoff-Rückbelastung

Üblicherweise wird das nährstoffreiche Filtrat der Schlammentwässerung zurück in die Belebungsbecken der Kläranlage geleitet. »Doch diese Nährstoff-Rückbelastung steigert bekanntermaßen den Energieverbrauch für die Belüftung der biologischen Reinigungsstufen«, erläutert Jürgen Schmidtke, Gesamtprojektleiter Wasserwirtschaft bei der baden-württembergischen Landesagentur Umwelttechnik BW und Koordinator von RoKKa.

In den Belebungsbecken bauen Mikroorganismen unter Verbrauch von Sauerstoff nicht nur die organischen Kohlenstoffsubstanzen zu Kohlenstoffdioxid (CO2) und Biomasse um, sondern auch die Stickstoffverbindungen. Häufig führt die Stickstoff-Rückbelastung zu einer erhöhten Emission von Lachgas (N2O). Dessen klimaschädliche Wirkung ist rund 265-mal so stark wie die von CO2. Zudem wächst das Risiko, dass die Konzentration von Ammonium oder Nitrat im Ablauf der Kläranlage steigt.

Mittels großtechnischer Messungen konnte die Universität Kassel in RoKKa nun aufzeigen: Eine Rückgewinnung von Stickstoff aus dem Schlammwasser sowie die daraus resultierende Verringerung der Stickstoff-Rückbelastung in den Hauptstrom der Kläranlage bewirkt eine Minderung der Lachgasemissionen bei der biologischen Stickstoffelimination.

Biologische Phosphorelimination auf der Kläranlage

Anstatt zurück ins Belebungsbecken gelangt das nährstoffreiche Filtratwasser in RoKKa daher nach einer Feststoffabtrennung zunächst in die ePhos®-Anlage. Dabei handelt es sich um ein vom Fraunhofer IGB entwickelten Verfahrensmodul zur Rückgewinnung von Phosphor und Stickstoff.

„Mit ePhos wird Phosphor elektrochemisch als Magnesium-Ammonium-Phosphat ausgefällt, auch Struvit genannt. Das hierfür benötigte Magnesium wird in einer Elektrolysezelle über eine Opferanode aus Magnesium zudosiert, welche sich im fortwährenden Prozess verbraucht”, erklärt Mohr das innovative Prinzip.

Das Produkt Struvit kann als regional erzeugter Phosphordünger in der Landwirtschaft genutzt werden. Voraussetzung für den effizienten Einsatz dieses Verfahrens sind möglichst hohe Konzentrationen an gelöstem Phosphat im Schlammwasser. Dies ist durch den Betrieb einer biologischen Phosphorelimination (Bio-P) auf der Kläranlage gewährleistet.

Stickstoff & Ammoniumsulfat zurückgewinnen

Um weiteren Stickstoff aus dem Schlammwasser zurückzugewinnen, kamen zwei Membranverfahren zum Einsatz. Ein Verfahren wurde vom Fraunhofer IGB entwickelt, ein weiteres von der Firma SolarSpring GmbH. Auch das hierbei entstehende Ammoniumsulfat kann direkt als regionaler Dünger Verwendung finden. In den RoKKa-Pilotanlagen waren die in der Produktlösung erreichten Ammoniumkonzentrationen zwar noch gering.

„Wir konnten jedoch zeigen, dass sich die Ammoniumsulfat-Lösung weiter aufkonzentrieren lässt, um ein wirtschaftlich nutzbares Produkt zu erhalten”, so Mohr.

Alternativ wurden die Nährstoffe mit dem Schlammwasser einem neuartigen Flachplatten-Airlift-Photobioreaktorsystem des Fraunhofer IGB zur Mikroalgenkultivierung zugeführt. Neben Stickstoff und Phosphor benötigen diese photosynthetischen Einzeller Licht und CO2, um wachsen zu können. So wird auch der CO2-Kreislauf geschlossen: Es stammt aus dem Biogas, das bei der Klärschlammfaulung im Faulturm entsteht. Es besteht zu etwa zwei Dritteln aus energiereichem Methan und zu einem Drittel aus Kohlenstoffdioxid. Mit einem neuen Verfahren der Deukum GmbH wird CO2 mithilfe einer Aminosäurelösung abgetrennt und über eine Elektrodialyse-Vorrichtung zurückgewonnen. Zurück bleibt hochreines Biomethan. Dies könnte direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden.

Die Algen bilden während ihres Wachstums pflanzenstimulierende Polysaccharide, sogenannte Beta-Glucane. Diese können Pflanzen bei der Abwehr von Pilzinfektionen wie Mehltau unterstützen. Sie könnten z.B. im Weinbau chemische Pflanzenschutzmittel ersetzen. Zusätzlich wandelt in RoKKa eine Elektrosyntheseanlage CO2 in Ameisensäure um, einen vielseitig einsetzbaren Grundstoff der chemischen Industrie.

RoKKa: Erfolgreiches Update für die Kläranlage

RoKKa zeigt eindrucksvoll, wie bestehende Kläranlagen modernisiert und nachhaltiger gestaltet werden können, um ihre Klimabilanz zu verbessern und wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Neue Ansätze wie das Nährstoffrecycling mindern den Einsatz fossiler Rohstoffe und den Energieverbrauch. Gleichzeitig vermeidet die Implementierung von Verfahren zur Stickstoffrückgewinnung klimaschädliche Lachgas-Emissionen.

„Ausgebaut zu Bioraffinerien leisten Kläranlagen wertvolle Beiträge zur Rohstoffsicherheit und zum Klimaschutz und tragen damit zur Resilienz und zu nationalen Klima- und Nachhaltigkeitszielen bei”, resümiert Schmidtke.

Ziel der Initiatoren ist es nun, die Projektergebnisse auch großtechnisch umzusetzen. Aus diesem Grund war von Beginn an die Kläranlage Ulm-Steinhäule im Projekt involviert. Mit einer Ausbaugröße von 440.000 Einwohnerwerten ist sie prädestiniert für die Übertragung auf einen größeren Maßstab.

„Derzeit wird der Bau einer Hochlastfaulung geplant. Als direktes Resultat des RoKKa-Projekts wird auch gleich eine Stickstoffrückgewinnung mitgedacht, um die Rückbelastung der Kläranlage zu minimieren”, verrät Mohr.

Derweil stehen die einzelnen Verfahrensmodule wie Ultrafiltration, ePhos® und Stickstoffrückgewinnung interessierten Kläranlagen für Tests mit realem Abwasser am Fraunhofer IGB oder vor Ort zur Verfügung.

Ergebnisse von RoKKa im Detail und Konsortium

Alle Projektergebnisse, Umsetzungsmöglichkeiten und Produktpotenziale finden Sie in der Abschlussbroschüre des Projekts.

Das Konsortium setzte sich zusammen aus dem Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB sowie Umwelttechnik BW GmbH, der Stadt Erbach sowie dem Zweckverband Klärwerk Steinhäule (Stadt Ulm), den Unternehmen Deukum GmbH, Nanoscience for life GmbH & Co. KG und SolarSpring GmbH sowie den Universitäten Stuttgart, Kassel und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.

Das Projekt wurde von Oktober 2021 bis Oktober 2024 vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des Programms „Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling” gefördert.

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