Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind weit verbreitet, sehr beständig und nur schwer abbaubar. Sie finden sich in zahlreichen Alltagsprodukten und werden aufgrund ihrer Langlebigkeit auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. Sie lassen sich auch häufig in Abwässern nachweisen, ihre Entfernung ist sehr aufwendig. Vor diesem Hintergrund hat ein Forschungsteam unter Leitung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ein neues Filtermaterial entwickelt. Entscheidende Experimente zur Optimierung des Verfahrens fanden an der DESY-Röntgenquelle PETRA III statt.
Gerüststrukturen aus der Kugelmühle
Im Zentrum stehen „kovalente organische Gerüststrukturen“ mit Poren im Nanometerbereich, in denen sich PFAS-Moleküle binden lassen können. Die Herstellung der Gerüste erfolgt über ein mechanochemisches Verfahren, durch das Mahlen in einer speziellen Mühle.
„Im Labor nutzen wir dazu einen kleinen Plastikzylinder, etwa so groß wie ein Filmdöschen. In diesen Zylinder tun wir etwas Pulver, ein Tröpfchen Lösemittel und zwei Stahlkugeln, etwa so groß wie Pfefferkörner“, so BAM-Forscherin Franziska Emmerling.
Dies wird in einer Kugelmühle intensiv bewegt. Durch Reibungswärme, Druckerhöhung und Bewegungsenergie werden chemische Reaktionen in Gang gesetzt, die zu den gewünschten, filtertauglichen Gerüsten führen.
Mechanochemie mit Tradition
Mechanochemische Reaktionen sind seit Langem bekannt, haben aber in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
„Eigentlich ist das eine alte Geschichte, vermutlich spielte die Mechanochemie bereits im Altertum eine Rolle. Beim Zerreiben pflanzlicher Stoffe in einem Mörser dürften erste Arzneiwirkstoffe freigesetzt oder eventuell sogar durch chemische Reaktion entstanden sein“, sagte DESY-Physiker Martin Etter.
Heute werden diese Verfahren in der Industrie für die Synthese von Medikamenten, Katalysatoren und Funktionsmaterialien genutzt. Sie gelten als nachhaltig und umweltverträglich, da sie meist ohne große Mengen giftiger Lösungsmittel auskommen und energieeffizient sind.
Echtzeitbeobachtung an PETRA III
Um die optimalen Herstellungsparameter zu ermitteln, nutzte das Team die intensive Strahlung der Röntgenquelle PETRA III bei DESY. Während der Mühlenbetrieb lief, konnten die Forschenden alle zehn Sekunden Veränderungen in den Kristallstrukturen beobachten.
„Die beiden Ausgangsstoffe lieferten ein anderes Muster auf unserem Detektor als die Chemikalie, die durch die chemische Reaktion entstand. Wir konnten quasi live zugucken, wie die Muster der beiden Startchemikalien immer schwächer wurden und zugleich das Muster der neuen Chemikalie erschien – das der Gerüststrukturen“, so Etter.
Optimierte Prozessbedingungen
Die Forschenden fanden durch Variation von Schüttelfrequenz, Lösungsmittelzugabe und Pulvermenge heraus, dass sich die besten Ergebnisse bei 36 Hertz, 266 Milligramm Pulver und 250 Mikrolitern Lösungsmittel erzielen ließen. Im Gegensatz zu vergleichbaren Materialien enthält das neue Filtergerüst keine Schwermetalle und ist somit umweltverträglicher.
Perspektiven und Ausblick
Ob sich das Material großtechnisch einsetzen lässt, ist offen. Martin Etter nennt mögliche Anwendungsbereiche in Kläranlagen von Industriebetrieben oder in haushaltsnahen Systemen, beispielsweise an Wasserhähnen. Künftige Untersuchungen sollen mit PETRA IV durchgeführt werden. Die geplante Nachfolgeanlage von DESY wird noch präzisere Messungen ermöglichen und somit neue Einblicke in schnelle chemische Reaktionen bieten.
„Dann werden wir nicht alle zehn Sekunden ein Bild aufnehmen können, sondern vielleicht zehn Bilder pro Sekunde. Und damit könnten wir zum Beispiel chemische Prozesse beobachten, die sehr schnell ablaufen und bei denen kurzlebige Zwischenstrukturen entstehen“, so Etter.







