Einen wichtigen Beitrag dazu leisten Forschende des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS). Sie haben die Algorithmen entwickelt, die u.a. die Aerosol- und Wolkenschichtung aus den Messungen des jetzt in Betrieb gegangenen Gerätes ableiten.
Zur Präzision des neue Klimasatelliten trägt auch eine groß angelegte Messkampagne bei. Daran beteiligt sind rund 50 Bodenstationen des europäischen Netzwerks ACTRIS. Koordiniert wird die Messkampagne vom TROPOS in Leipzig.
Atmosphären-Lidar komplettiert den neuen Klima-Satelliten
EarthCARE (Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer) soll gleichzeitig eine Reihe verschiedener Messungen durchführen. Hierbei setzt man auf die hochmoderne Ausstattung: einem Wolkenprofilradar, einem Atmosphären- Lidar, einem Breitbandradiometer und einem abbildenden Spektrometer. Die Messungen tragen dazu bei besser zu verstehen, wie Wolken und Aerosole die einfallende Sonnenenergie zurück ins All reflektieren und wie sie die von der Erde emittierte Wärmestrahlung einfangen.
Diese Informationen sind wichtig, um zu verstehen, wie sich der Klimawandel auf die Energiebilanz der Erde auswirkt und um vorherzusagen, wie schnell Wolken und Aerosole ihre zurzeit kühlende Wirkung in Zukunft verlieren könnten.
EarthCARE wurde am 29. Mai 2024 in eine Umlaufbahn um die Erde gebracht. Und nur einen Monat später liefert der Satellit die ersten Bilder des Wolkenradars. Kurz darauf folgten die ersten Bilder des Breitbandradiometers und des abbildenden Spektrometers. Im August schließlich auch des Atmosphären-Lidars. Dieses hochmoderne Instrument nimmt detaillierte vertikale Profile von Aerosolen und Wolken in der Atmosphäre in verschiedenen Regionen der Erde auf.
Aerosole sind winzige Partikel und Tröpfchen aus natürlichen Quellen wie Staub und Seesalz sowie von menschlichen Aktivitäten wie Industrieemissionen oder Holzverbrennungen. Lidar steht für Licht-Radar: Der Laser sendet kurze Impulse von UV-Licht aus, die wie bei einem Radar von Objekten reflektiert und in einem hochempfindlichen Empfänger analysiert werden.
Erste Bilder zeigen Vielfalt von Aerosolen
Durch die Laufzeit kann die Entfernung und durch die Signalstärke die Konzentration bestimmt werden. Und durch die Polarisation die Art der Aerosole. So wird es möglich, die Verteilung und Eigenschaften von Aerosolen und Wolken zu messen. Das betrifft auch die Messung ihrer Höhe und Dicke, sowie der optischen und physikalischen Eigenschaften. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den anderen drei Instrumenten des Satelliten entscheidend, um die Rolle von Aerosolen und Wolken im Energiehaushalt der Erde zu verstehen.
Damit diese Berechnungen über die verschiedenen Geräte hinweg funktionieren, wurde extra ein neues Aerosolklassifizierungsmodell „(Hybrid End-To-End Aerosol Classification“, kurz: HETEAC) als Grundlage für die Aerosoltypisierung entwickelt. Insbesondere das Atmosphären-Lidar ATLID wird auch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualitätsprognosen liefern. Ulla Wandinger, die jahrelang zu der Entwicklung von ATLID beigetragen hat, ist begeistert von den ersten Messungen:
“Die Fülle der Daten und der detailgenaue Blick in die Strukturen der Atmosphäre sind absolut beeindruckend.“
EarthCARE kann also die Forschung zu Aerosolen und Wolken und den Wechselwirkungen zwischen ihnen und damit auch die Klimaforschung voranbringen.
Die ersten Bilder vom August zeigen die Vielfalt von Aerosolen und Wolken in der Erdatmosphäre. Zu sehen sind z.B. ein Profil von Polaren Stratosphärenwolken (PSC) über der Antarktis. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Ozonlochentstehung. Oder der Tropensturm Debby über dem Golf von Mexiko und Rauchfahnen aus Waldbränden in Kanada. Simonetta Cheli, Direktorin für Erdbeobachtungsprogramme der ESA, sagte:
„Nach den ersten Bildern der anderen drei Instrumente von EarthCARE können wir jetzt auch sehen, wie gut das Atmosphären-Lidar ATLID funktioniert. Nachdem das Instrument seine routinemäßige Dekontamination und Kalibrierung durchlaufen hat, kommen dessen Profile in der Qualität wie wir es erwartet hatten. Das Atmosphären-Lidar bringt uns völlig neue Einblicke in die vertikale Verteilung von Wolken und Aerosolen und ermöglicht uns zusammen mit den anderen Instrumenten ein neues wissenschaftliches Verständnis zur Energiebilanz der Erde zu gewinnen.“
Messkampagne im Atlantik und in Europa
Damit die Daten der neuen Geräte optimal genutzt und interpretiert werden können, ist es wichtig, diese mit Messungen vom Boden und aus der Luft in verschiedensten Situationen zu vergleichen. Deshalb finden derzeit eine Reihe aufwendiger internationaler Messkampagnen statt.
So fliegt das deutsche Forschungsflugzeug HALO von Cabo Verde im Atlantik, von Barbados in der Karibik und von Oberpfaffenhofen in Deutschland aus bis November mehrmals unter der Flugbahn von EarthCARE. Die Validierungsmission HALO-PERCUSION wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) geleitet. Daran beteiligt sind eine Reihe von Partnern wie z.B. die Universität Leipzig. PERCUSION ist eines von mehreren Teilprojekten des vom MPI-M koordinierten Forschungsprojekts ORCESTRA (Organized Convection and EarthCare Studies over the Tropical Atlantic).
Ein weiteres Teilprojekt ist CLARINET (CLoud and Aerosol Remote sensing for EarThcare). Hierbei nutzen Forschende des TROPOS die neue ACTRIS-Fernerkundungsstation des Cabo Verde Atmospheric Observatory (CVAO) am Ocean Science Center in Mindelo (OSCM), um die EarthCARE-Daten im tropischen Atlantik zu validieren und mit Langzeitmessungen zu vergleichen.
Messkampagne zwei Monate geprobt
Eine wichtige Rolle bei der Kalibrierung der Daten des EarthCARE-Satelliten spielen die Bodenstationen der europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS. Sie wurden in den letzten Jahren auf- und ausgebaut, um Aerosolpartikel und Wolken mit Fernerkundungsgeräten wie Lidar und Radar zu untersuchen. Rund 50 Stationen in Europa und Übersee beteiligen sich an der Messkampagne atmo4ACTRIS. Dieses dichte Netz bietet den großen Vorteil, dass EarthCARE praktisch täglich über mindestens eine der Stationen fliegt. Der erdnahe Orbit sorgt dafür, dass der Satellit unseren Planeten streifenweise „abfliegt“ und nur aller 25 Tage wieder über derselben Stelle der Erde ist.
Eine einzelne Bodenstation reicht daher zum Kalibrieren nicht aus.
„Wir haben die Messkampagne im Rahmen des Infrastrukturprojekts ATMO-ACCESS bereits Ende letzten Jahres mit simulierten Überflügen zwei Monate lang geprobt, um uns auf die komplexe Aufgabe vorzubereiten. Das war sehr hilfreich, denn die ACTRIS-Stationen arbeiten zwar alle nach denselben Standards, aber haben zum Teil sehr unterschiedliches Vorwissen bezüglich der Validierung von Satellitendaten. Daher sind wir alle sehr gespannt darauf, die ersten Daten von EarthCARE mit den Bodenstationen zu vergleichen“, berichtet Dr. Holger Baars vom TROPOS, der die Kampagne von Leipzig aus koordiniert.
Aus Deutschland werden neben den TROPOS-Stationen in Leipzig und Melpitz auch Stationen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) mitmachen. Auch die Universität zu Köln (UzK) in Kooperation mit dem Forschungszentrums Jülich (FZJ), dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Leipzig nehmen teil.
Deutsche Partner liefern außerdem wichtige Daten aus Übersee. Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) steuert in Kooperation mit der UzK Beobachtungsdaten aus Ny-Ålesund in der Arktis bei und TROPOS liefert mit Cabo Verde im Atlantik. Limassol in Zypern und Duschanbe in Tadschikistan Daten von drei Stationen im Staubgürtel der Erde.