Mit dem steigenden Druck des Klimawandels gewinnt die gezielte Entnahme von Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre zunehmend an Bedeutung. Ein vielversprechender Ansatz könnte dabei das Meer als CO₂-Speicher sein. Doch welche Verfahren zur CO₂-Entnahme und -Speicherung sind geeignet? Welche Auswirkungen haben sie auf Mensch und Natur?
Wissenschaftler der Forschungsmission CDRmare, einer Initiative der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM), haben einen Leitfaden entwickelt, der Entscheidungsträgern helfen soll, diese Fragen faktenbasiert zu beantworten. Der Leitfaden konzentriert sich darauf, möglichst alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen – von der technischen Machbarkeit über die Wirtschaftlichkeit bis hin zu den sozialen und ökologischen Folgen der CO₂-Entnahme.
Leitfaden mit 29 Kriterien
Der Leitfaden umfasst 29 Kriterien, die sieben zentrale Themenbereiche abdecken. Darunter die technische, rechtliche und politische Machbarkeit, aber auch Fragen zur Wirtschaftlichkeit und Gerechtigkeit. Zudem wird der Umweltaspekt der Verfahren in den Fokus gerückt.

Quelle: Rita Erven/ CDRmare
Die Komplexität der Thematik erfordert laut den Forschenden eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachdisziplinen. Daher empfehlen sie, den Bewertungsprozess in einem transdisziplinären Ansatz durchzuführen, der Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Interessensverbänden einbezieht. In mehreren Workshops wurde der Leitfaden bereits in der Praxis getestet, um seine Anwendbarkeit und Tauglichkeit zu überprüfen.
„Wie unsere Erfahrungen aus den Testläufen des neuen Leitfadens zeigen, sollte niemand allein versuchen, eine marine CO₂-Entnahmemethode oder ein konkretes Entnahmeprojekt zu bewerten. Aufgrund der hohen Komplexität des Themas braucht es immer die Expertise vieler“, betont Co-Autor Dr. Lukas Tank, Klima- und Umweltethiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Der Bewertungsrahmen als Entscheidungshilfe
„Der neue Leitfaden ist darauf ausgerichtet, eine strukturierte und transparente Entscheidungsfindung zu ermöglichen“, erklärt Prof. Dr. Christian Baatz, Klima- und Umweltethiker an der CAU und Mitautor der Fachartikel. „Wir bieten eine systematische Herangehensweise, um alle relevanten Faktoren zu bewerten und so faktenbasiert zu entscheiden, ob eine bestimmte CO₂-Entnahmetechnologie umgesetzt werden kann.“
In Ergänzung zu den Kriterien wurden fünf Leitprinzipien formuliert, die dabei helfen sollen, das Bewertungsverfahren transparenter zu gestalten und alle betroffenen Parteien zu integrieren.
Entscheidungsfreiheit bleibt bei den Verantwortlichen
„Final zu entscheiden, ob ein konkretes marines CO₂-Entnahmeprojekt umgesetzt werden soll, bleibt den politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen vorbehalten. Im besten Fall entscheiden sich diese für wirksame Projekte und Methoden, die sowohl technisch, rechtlich und politisch machbar sind als auch wirtschaftlich, gerecht und umweltverträglich. Dabei kann sie unser Bewertungsrahmen unterstützen“, sagt Prof. Dr. Gregor Rehder, Chemiker am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW).
Hintergrund der Forschungsmission
CDRmare ist ein Forschungsverbund mit dem Langtitel „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“, der sich mit der Untersuchung von CO₂-Entnahmemethoden aus dem Meer beschäftigt. Im Rahmen der Mission werden verschiedene Technologien wie die Alkalinisierung des Meeres, die Ausweitung von Küstenökosystemen, der Carbon Capture and Storage und die künstliche Auftriebserzeugung auf ihr Potenzial, ihre Risiken und ihre Wechselwirkungen mit der Umwelt hin untersucht.
Die Forschungsmission startete im Sommer 2021 und ist seit August 2024 in ihrer zweiten dreijährigen Förderphase. CDRmare wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie einigen Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer unterstützt.