Wie verteilen sich Aerosole als mögliche Träger von Viren während einer Chorprobe im Raum? Um diese Frage zu beantworten, führten Forschende der TU Bergakademie Freiberg und der Universität Leipzig in den vergangenen Monaten Messungen bei Chorproben durch. In der Fachzeitschrift „Journal of Voice“ berichten sie nun über ihre Ergebnisse.
Aerosole mit Viren im Gepäck
Bereits seit Pandemiebeginn 2020 forschte das Forschungsteam zu Aerosolen und der damit verbundenen Virenausbreitung – insbesondere beim Singen in geschlossenen Räumen. Gemeinsam wurden dafür Messungen mit mehreren Chorgruppen in verschieden großen Räumen durchgeführt. „Ausgeatmete Luft enthält neben den Aerosolen auch CO2. Aerosole reichern sich besonders in Bereichen mit hoher CO2-Konzentration an. Enthalten die Aerosole Viren, steigt in diesen Bereichen auch das Risiko für ihre Übertragung durch die Luft“, erklärt Prof. Rüdiger Schwarze von der Professur für Strömungsmechanik und Strömungsmaschinen der TU Bergakademie Freiberg.
Regelmäßiger Luftaustausch und Spezialsensoren
Den Studienergebnissen zufolge können Chorproben durch regelmäßigen Luftaustausch und spezielle Sensoren so durchgeführt werden, dass die CO2-Konzentration und damit auch die Aerosole in der Raumluft unter dem für eine Infektion kritischen Bereich bleiben.
Um den CO2-Gehalt und damit die Aerosol-Ausbreitung während der Chorprobe zu erfassen, installierte das Team im Probenraum ein Sensorfeld mit zehn Messständern und je drei Messsonden, mit deren Hilfe sie die Luftqualität auf drei verschiedenen Ebenen – auf Hüfthöhe, Mundhöhe und über dem Kopf – kontinuierlich überprüften. Dafür wurde die Luft zwischen den einzelnen Messdurchläufen gespült; dabei wird der Wert der CO2-Konzentration wieder auf den gleichen Ausgangspunkt gebracht. Die Messwerte legte das Team anschließend nebeneinander und verglich sie.
Formel für sichere Chorproben
Basierend auf den Messergebnissen hat das Team eine Art Formel für sichere Chorproben bereitgestellt: In einem 200 Kubikmeter großen Raum ist jede singende Person für den Anstieg der CO2-Konzentration um rund 1,8 ppm (1 ppm entspricht einem zehntausendstel Prozent) pro Minute verantwortlich. Somit lässt sich die Zeit ermitteln, die eine Chorgruppe ohne erhöhtes Ansteckungsrisiko proben kann.
„Proben 15 Personen in einem Klassenzimmer, wird eine kritische CO2-Konzentration von 800 ppm nach 15 Minuten erreicht, 10 Personen können dagegen 22 Minuten ohne Lüften singen. Wird der Raum in diesen Zeitabständen regelmäßig für fünf Minuten stoßgelüftet oder eine raumlufttechnische Anlage verwendet, sinkt die CO2-Konzentration rasch ab und es kann sicher geprobt werden“, erläutert Dr. Lennart Heinrich Pieper vom Zentrum für Musikermedizin der Universität Leipzig. Prof. Dr. Michael Fuchs, Leiter des Zentrums, ergänzt: „Die CO2-Messung ist natürlich nur ein Baustein im Kontext aller Hygienemaßnahmen, um das Infektionsrisiko zu senken. Aber eben ein für Chöre sehr praktikabler – und das gilt für das Corona-Virus wie auch für andere Viren in möglichen zukünftigen Pandemie-Situationen.“
Weitere Empfehlungen für Chöre
Die Forschenden empfehlen außerdem, einen CO2-Sensor in Deckennähe eines ausreichend großen Probenraumes anzubringen. Da die CO2-Konzentration im oberen Bereich eines Raums am höchsten sei, könne ein marktüblicher Sensor Chorgruppen frühzeitig warnen, sollte die CO2-Konzentration den Schwellenwert erreichen. Empfehlenswert sei den Forschenden zufolge auch, wenn Sänger:innen die üblichen Aufwärmübungen ihrer Stimme statt gemeinsam alleine Zuhause oder im Auto durchführen. „Denn während der bewegungsintensiven Stimmübungen werden besonders viele Aerosole ausgeatmet, verwirbelt und die CO2-Konzentration steigt sehr schnell an“, erläutert Dr. Lennart Heinrich Pieper.
Die Originalveröffentlichung finden Sie hier.