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Forschende analysieren Restwassermengen in Fließgewässern

Wie viel Wasser bleibt der Natur? Eine Analyse von WSL, UZH und Eawag zeigt, dass viele Fließgewässer durch unzureichende Restwassermengen ökologisch unter Druck stehen – und dass bestehende Regelungen wenig Spielraum für Anpassungen lassen.

von | 04.07.25

Alpines Wasserkraftwerk an der Blinne im Kanton Wallis: Bei niedrigen Abflüssen wirken sich Temperaturschwankungen schneller auf das Gewässer aus, was insbesondere für kälteliebende Arten problematisch sein kann.
Quelle: Jonathan Molina
Fließgewässern

In zahlreichen Schweizer Fließgewässern bleibt nach der Nutzung durch Wasserkraftwerke nur ein geringer Teil des natürlichen Abflusses bestehen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Restwassermengen sollen den ökologischen Zustand der Gewässer sichern, reichen dafür aber häufig nicht aus. Ein aktueller Bericht von Forschenden der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, der Universität Zürich und der Eawag analysiert die ökologischen, rechtlichen und klimatischen Rahmenbedingungen und zeigt, wo gesetzliche Rahmenbedingungen eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung erschweren.

Zwischen Energieproduktion und Gewässerschutz

Die gesetzlichen Grundlagen zur Festlegung von Restwassermengen existieren in der Schweiz seit Jahrzehnten. So schreibt die Bundesverfassung seit 1975 „angemessene Restwassermengen“ vor. Mit dem Gewässerschutzgesetz (GSchG) von 1991 wurde diese Vorgabe rechtlich verankert. Doch die damals eingeführten Mindestwerte blieben unter den Empfehlungen ökologischer Untersuchungen.

Hydrologe Tobias Wechsler (WSL) betont die doppelte Herausforderung:

„Restwasser bedeutet für die Wasserkraft eine Produktionsminderung und für die Gewässerökologie ein Existenzminimum.“

Der ökologische Zustand vieler Fließgewässer gibt Anlass zur Sorge. In der Schweiz sind Wasserlebewesen auf den Roten Listen der bedrohten Arten überrepräsentiert: rund 65% der Fische und Rundmäuler sowie 47% der wirbellosen Tierarten sind gefährdet. Ursachen sind unter anderem veränderte Strömungsverhältnisse, erhöhter Algenwuchs und schwankende Wassertemperaturen infolge zu geringer Restwassermengen.

Auch die Uferzonen und angrenzenden Lebensräume sind betroffen. Sabine Fink, Ökologin an der WSL, verweist auf Veränderungen durch sogenannte Schwall-Sunk-Dynamiken – das rasche Auf und Ab des Wasserpegels im Zuge der Stromerzeugung:

„Flusslebewesen kommen zwar mit Störungen wie Hoch- oder Niedrigwasser zurecht, aber nicht mit kleinsten Restwassermengen oder täglichen, starken Schwankungen, wie sie durch die Wasserkraftnutzung entstehen.“

Klimawandel verschärft Nutzungskonflikte

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Abflüsse, Wasserwirtschaft und Biodiversität verlangen nach einer Neubewertung bestehender Praktiken. Gleichzeitig steigt der politische Druck, die Stromproduktion aus Wasserkraft auszubauen. Tobias Wechsler sieht daher wachsenden Bedarf, die Frage nach der „angemessenen“ Restwassermenge neu zu stellen. Die Ansprüche der Natur und anderer Wassernutzungen wie Kühlwasser oder Bewässerung steigen ebenfalls.

 „Restwasser und Abflussschwankungen von einzelnen Kraftwerken betreffen das Überleben von Arten und Lebensräumen in ganzen Einzugsgebieten. Deshalb braucht es Lösungen für gesamte Flusssysteme“, so Fink.

Reformbedarf bei Wassernutzungskonzessionen

Ein Hindernis stellt die Ausgestaltung von Wasserrechtskonzessionen dar, da das Nutzungsrecht für Wasser für eine Dauer von bis zu 80 Jahren verliehen wird. Für eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft braucht es laut Wechsler neue Ansätze:

„Ein anpassungsfähiges Management kann helfen, auf Veränderungen wie den Klimawandel oder Schwall-Sunk-Belastungen besser zu reagieren – ohne dass die Betriebe Planungssicherheit verlieren.“

Mehr Transparenz durch unabhängige Daten

Bislang fehlen verlässliche, unabhängige Zahlen zu den tatsächlichen Auswirkungen von Restwasserbestimmungen auf die Stromproduktion. Frühere Untersuchungen zeigen, dass dieser Einfluss mitunter überschätzt wurde. Es bedarf transparenter Datengrundlagen, um Zusammenhänge zu erkennen und diese zu vermitteln, damit diese in eine nachhaltige Wasserwirtschaft einfließen können.

Forschungsprogramme

Im Rahmen des Programms SPEED2ZERO erarbeiten mehrere Forschungsinstitutionen – darunter WSL, ETH Zürich, EPFL und Eawag – Strategien, um die Schweiz nachhaltig in Richtung einer Netto-Null-Gesellschaft zu entwickeln.

Wasserbau und Ökologie ist ein interdisziplinäres Forschungsprogramm, das wissenschaftliche Grundlagen rund um das nachhaltige Schweizer Fließgewässermanagement liefert. Es wird unter anderem vom Bundesamt für Umwelt und den Schweizer Forschungsinstitutionen getragen. Ziel ist es, praxisnahe wissenschaftliche Grundlagen für das Fließgewässermanagement zu erarbeiten und umzusetzen.

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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