Ventilatorgestütztes Fensterlüften kann wirksamer gegen die Aerosolübertragung von COVID-19 und zur Verbesserung der Luftqualität in Schulklassen eingesetzt werden als aufwändigere Lüftungs- und Luftreinigungsgeräte. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz und der TU Kaiserslautern.
In einer neuen Studie zur Eindämmung der COVID-19- Pandemie und Erhöhung der Luftqualität in Klassenräumen bestimmen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz die Wirksamkeit verschiedener Lösungsansätze zur infektionsschutzgerechten Lüftung beziehungsweise Luftreinigung. Die Forscher vergleichen ventilatorgestützte Fensterlüftungssysteme und normales Fensterlüften (Stoß- und Dauerlüften) mit Lüftungs- und Luftreinigungsgeräten anhand von Kohlendioxid- und Aerosolmessungen und darauf aufbauenden Modellrechnungen für einen Unterrichtstag in einem typischen Klassenraum. Fensterlüften, ergänzt durch einfache technische Hilfsmittel wie Ventilatoren und Abzugshauben, eignet sich sehr gut zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion durch Aerosolübertragung. Wichtig ist, dass Frischluft bodennah in den Raum strömt. Die warme Atemluft der Schüler sorgt dafür, dass die Abluft nach oben steigt. Ein Ventilator im oder vor dem Fenster befördert die Luft nach außen.
Fensterlüftungssysteme mit Abluftventilatoren: kostengünstig und leicht realisierbar
„Insgesamt zeigt der Vergleich, dass Fensterlüftungssysteme mit Abluftventilatoren nicht nur kostengünstig und leicht realisierbar sind. Sie sorgen auch sehr effektiv für die Reinhaltung der Luft und wirken gegen die Aerosolübertragung von Infektionskrankheiten wie COVID-19 oder Influenza“, sagt Frank Helleis, Leiter der Instrumentenentwicklung am MPI für Chemie. „In der Stadt Mainz sind solche einfachen Systeme bereits in mehr als 450 Klassenräumen installiert und erfolgreich in Betrieb.“ Der breite Einsatz in Mainz und an anderen Orten bestätigt die
praktische Machbarkeit des Ansatzes auch in unterschiedlichen Ausbaustufen, also mit oder ohne Abzugshauben. „Wichtig ist die richtige Dimensionierung und der Einsatz geeigneter Materialien“, erläutert Thomas Klimach, Mitentwickler der Mainzer Fensterlüftungssysteme. „Die Materialien sind im Fachhandel und im Internet erhältlich. Die Installation können beispielsweise Hausmeister, Lüftungs- und Haustechniker, Messebaufirmen und andere Dienstleister durchführen.“
Sein Kollege Helleis weist noch auf einen anderen Aspekt hin: „In Schulklassen kommen viele Personen auf engem Raum zusammen und geben Wärme sowie Feuchtigkeit ab. Die Rückgewinnung von Wärme oder Feuchte bringt nach unseren Ergebnissen weder energetisch noch für das Raumklima wesentliche Vorteile. Es ist deutlich sinnvoller, Außenluft nach dem Quellluft-Prinzip durch die Fenster zuzuführen. Frischluft mit technischen Komponenten zu behandeln, erhöht den Wartungsaufwand und kann hygienische Probleme bereiten.“
Deshalb empfehlen die Mainzer Forscher den Einbau und Betrieb von Abluftventilatoren in Klassenräumen nicht nur zur Eindämmung der Pandemie, sondern auch allgemein zur Verbesserung der Luftqualität in Schulklassen. Aus ihrer Sicht sollte es mit relativ geringem Aufwand und in kurzer Zeit machbar sein, Klassenräume deutschlandweit mit geeigneten Ventilatoren auszustatten.
Je nach Bedarf könnten die Fensterlüftungssysteme auch mit anderen Methoden wie dem Stoßlüften nach Empfehlung des Umweltbundesamtes (UBA) oder zusätzlichen im Raum verteilten Luftreinigern ergänzt werden. Um zu prüfen, ob dadurch ein substanzieller Mehrwert entsteht, stellen die Forscher das Tabellenkalkulationsprogramm zur Verfügung, das sie für die Vergleichsstudie entwickelt und genutzt haben Damit können verschiedene Kombinationen der Lüftungsmethoden und Variationen der Kenngrößen untersucht und verglichen werden.
Nähere Informationen zu dem in Mainz entwickelten Fensterlüftungssystem findet man unter ventilation-mainz.de.
F&S exklusiv: Untersuchung einer Testabluftanlage zur Reduzierung der Aerosolausbreitung in Schulräumen
Prof. Sergiy Antonyuk und sein Team vom Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Kaiserslautern untersuchten die Wirksamkeit und Strömungsführung einer Testabluftanlage, die im Otto-Hahn-Gymnasium in Landau, Pfalz, nach dem vorab beschriebenen Konzept installiert wurde. Die Ergebnisse werden in die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Reduktion der Ausbreitung von Aerosolpartikeln im Rahmen der COVID-19-Pandemie eingeordnet. Sie finden den vollstöndigen Artikel hier.