CO₂-Gewinnung aus Luft, auch Direct Air Capture genannt, gehört zu den Zukunftstechnologien, die zur Erreichung der Klimaziele entwickelt werden. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) bereitet die DAC-Technologie für die industrielle Anwendung vor, damit die Klimaneutralität schneller erreicht wird und neue Wertschöpfungspotenziale für die Industrie erschlossen werden können.
Ziel: die Rohstoffgewinnung
In dem vom ZSW entwickelten Verfahren wird mithilfe einer modifizierten Aminwäsche CO₂ aus der Luft abgetrennt. Der Energieverbrauch kann mit kostengünstigem erneuerbarem Strom sowie Abwärme aus der Synthese so genannter eFuels oder anderen Industrieprozessen ressourcenschonend gedeckt werden. Das Verfahren zeichnet sich durch seine hohe CO₂-Reinheit sowie eine einfache und wartungsarme Technologie aus, die ideale Voraussetzung für die Skalierbarkeit im industriellen Maßstab um den Faktor 100 oder Faktor 1.000. Nach Desorption und Aufkonzentration erhält man CO₂ mit einem hohen Reinheitsgrad, das anschließend direkt als Rohstoff beispielsweise für die Chemieindustrie oder für die Synthese von Basischemikalien wie Methanol und klimaneutralen Kraftstoffen für den Flugverkehr und der internationalen Seeschifffahrt eingesetzt werden kann. Da diese Anwendungsbereiche kaum elektrifiziert werden können, müssen dort auch langfristig kohlenstoffbasierte Energieträger eingesetzt werden.
DAC-Verfahren sind unter anderem auch deshalb anspruchsvoll, weil die Umgebungsluft nur etwa 414 ppm CO₂ enthält, das sind gut vier CO₂-Moleküle auf einer Million Moleküle trockener Luft (hauptsächlich Stickstoff und Sauerstoff). Was für das Klima schon als erschreckend hohe CO₂-Konzentration gilt, ist aus Sicht der Separationstechnik eine Herausforderung: Es müssen extrem hohe Luftmengen durch den Absorptionsreaktor transportiert werden, um nennenswerte CO₂-Ausbeuten zu erreichen.
Förderung durch das Land Baden-Württemberg
Gemeinsam mit Unternehmen aus Baden-Württemberg soll die industrielle Anwendung der DAC-Technologie im Rahmen des vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „DAC-BW“ vorbereitet werden. Dafür sollen vor allem Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Zulieferindustrie in das Projekt eingebunden werden. Mit der Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg soll eine Forschungsanlage, die bis zu 100 t/a CO„ erzeugen kann, beschafft und am ZSW unter praxisnahen Bedingungen betrieben werden.
„Es ist wichtig, den Fahrplan für eine nachhaltige Zukunft jetzt festzulegen. Unsere DAC-Technologie bildet eine sehr gute Ausgangsbasis, um schnell in energiewirtschaftlich relevante Größenordnungen vorzustoßen“, so Dr. Marc-Simon Löffler, Leiter des Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren am ZSW.
An dem Projekt können sich im Rahmen eines Industriedialogs alle Unternehmen beteiligen – sowohl Startups, kleine und mittlere Unternehmen als auch international tätige Großunternehmen aus dem Bereich Maschinen- und Anlagenbau. Das Ziel des ZSW ist es, die Industriekompetenzen in einem integrierten Konzept mit “überregionaler Strahlkraft” (so Löffler) zusammenzuführen und unter anderem zum Aufbau neuer Geschäftsfelder beizutragen.
BW-Unternehmen sollen führende Rolle als Technologieexporteure für DAC übernehmen
In begleitenden Industrieworkshops will das ZSW die am Projekt teilnehmenden Unternehmen fit für den Einstieg in diese Zukunftstechnologie machen. Flankierend werden in dem Projekt DAC-BW die zukünftigen Märkte für CO„ als Rohstoff analysiert und die Technologie mit möglichen alternativen CO„-Quellen verglichen. Daraus folgt eine Schätzung des CO„-Bedarfs in Deutschland und Europa sowie weltweit, woraus sich mögliche Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenziale für Baden-Württemberg ableiten lassen. Das ZSW kooperiert in dem Projekt auch mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die Forschungsanlage mit Strömungssimulationen begleitend unterstützt.
Durch die Industrialisierung würden auch die Produktionskosten für die Herstellung von CO„ aus Luft deutlich sinken. Derzeit kostet eine Tonne noch mehrere 100 Euro. Ziel ist es, durch die Technologieskalierung und den Betrieb der Anlagen in Regionen mit günstigen Stromerzeugungspotenzialen wie beispielsweise Südamerika, Nordafrika oder Australien die Erzeugungskosten zu senken. Die ZSW-Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erwarten, dass die Kosten auf unter 100 Euro pro Tonne CO„ gesenkt werden können. Das Verkehrsministerium Bden-Württemberg fördert das Projekt mit 1,39 Millionen Euro.