23.05.2024 I Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT hat ein Niedertemperaturverfahren für die Aufbereitung von teerhaltigem Straßenaufbruch entwickelt.
Mit einem Verfahren ist das Recycling und somit der Wiedereinsatz als hochwertiger RC-Baustoff möglich. Eine mit Fraunhofer Eigenmitteln finanzierte Demonstrationsanlage wird seit April 2024 am Fraunhofer Institut UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg betrieben. Die erste Projektierung für eine industrielle Anlage startet Ende 2024 in Zusammenarbeit der Grenzebach BSH GmbH mit EUROVIA.
Straßenaufbruch: Recycling von Teer möglich
In Deutschland befinden sich derzeit mehrere Anlagenprojekte für das Recycling von pech- bzw. teerhaltigem Straßenaufbruch in der Entwicklung. Der Bedarf an Aufbereitungskapazitäten für die bis zu 3 Millionen Tonnen Material, die jährlich anfallen, ist groß. Die Deponierung ist kostenintensiv und für die thermische Behandlung existieren europaweit aktuell nur zwei Anlagen in den Niederlanden. Nun hat Fraunhofer eine Aufbereitungstechnologie vorgestellt, die mit niedrigen Temperaturen auskommt.
Prof. Dr.-Ing. Matthias Franke, Leiter des Institutsteils Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer UMSICHT sagt:
„Mit unserem Prozess lässt sich die Temperatur für eine sichere Dekontamination von teerhaltigem Straßenaufbruch deutlich reduzieren. Dadurch wird die Mineralik schonend behandelt, was den Wiedereinsatz in hochwertigen Anwendungen ermöglicht. Insgesamt verbessert sich so die Wirtschaftlichkeit.“
Zweistufiges Niedertemperatur-Verfahren
Das von Fraunhofer entwickelte und patentierte Verfahren arbeitet im Dauerbetrieb bei Temperaturen von ca. 400 Grad Celsius. Es kombiniert eine Unterdruck-Pyrolyse mit dem oxidativen Cracking von schwerflüchtigen Kontaminanten. In den bisherigen Versuchen konnten die PAK-Gehalte damit zuverlässig bis unter die Nachweisgrenze gebracht werden. Gleichzeitig bleiben aufgrund der niedrigen Temperatur die werkstofflichen Eigenschaften der Mineralik wie Druckfestigkeit, Zertrümmerungswiderstand und Partikelgröße erhalten. So ist das rückgewonnene Material als Sekundärrohstoff für hochwertige Anwendungen (z. B. als Binder- und Deckschichten im Straßenbau) sehr nützlich.
Die beim Dekontaminationsprozess entstehenden Dämpfe werden von Staubpartikeln gereinigt und in ein Kühlsystem weitergeleitet. Teile des Dampfes kondensieren als Pyrolyseöl aus und werden abgetrennt. Bei Bedarf wird das Öl energetisch genutzt. Auch eine stoffliche Verwertung, zum Beispiel als Grundstoff für Bindemittel ist denkbar. Mit dem verbleibenden Gas wird in einer Hochtemperatur-Brennkammer bei ca. 1200 Grad Heißgas für die Beheizung der Anlage erzeugt. Etwaige Rest-Kontaminationen werden in dieser Stufe vollständig zerstört.
Derzeit läuft die Erprobung des Langzeitbetriebs. Die Versuchskampagnen dienen dazu, den Prozess zu optimieren und für die industrielle Anwendung vorzubereiten. Es werden Langzeitdaten zur Energiebilanz, der Qualität der Mineralik und dem Emissionsverhalten gesammelt. Das Ziel: Eine fundierte Datenbasis für Genehmigungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Ökobilanzierung und die Erzeugung der Hochskalierung.
Recyclingprozesse weiterdenken
Die Firma Grenzebach BSH, ist ein deutsches Unternehmen für Prozess- und Anlagentechnologien, deren Tradition in der Verfahrenstechnik und der Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen wurzelt. Grenzebach BSH ist Teil der international tätigen Grenzebach Gruppe, hat langjährige Erfahrung mit Hochtemperaturprozessen und hat die von Fraunhofer patentierte Technologie lizensiert. Die Projektierung der ersten industriellen Anlage mit dem Fraunhofer Verfahren ist in 2024 am Asphaltmisch- und Recyclingwerk der Firma EUROVIA in Oberhausen (NRW) geplant. Vorgespräche mit Landesregierung und Genehmigungsbehörden sind bereits angelaufen.
Bernd Rudolph, Senior Vice President Business Development Building Materials Technology der Grenzebach BSH GmbH sagt hierzu:
„Für die Genehmigung sind verlässliche Daten enorm wichtig – das wissen wir von anderen Pilotprojekten im Recyclingsektor. Ein strategisches Vorgehen ist das A und O: Wir erfassen und analysieren zunächst die Betriebsdaten, welche wir durch das Betreiben der Demonstrationsanlage bei Fraunhofer sammeln. Anschließend erfolgt das Upscaling zur industriellen Pilotanlage durch Grenzebach, um die relevanten Daten zu ermitteln. Wir freuen uns, unsere Recyclingexpertise erneut bei einem Forschungsprojekt einbringen zu können, Recyclingprozesse weiterzudenken und die Zukunft nachhaltig zu verändern.“
Gemeinsam mit Fraunhofer wird im Verlauf der Zusammenarbeit auch ermittelt, für welche weiteren Anwendungsbereiche und Einsatzstoffe sich das Verfahren noch eignet. Aussichtsreich sind andere teer- bzw. PAK-haltige Materialien wie teerhaltige Dachbahnen aus Altbeständen, Bahnschwellen oder Ölsande.
Aufbereitungskapazitäten für Straßenaufbruch benötigt
Beim Rückbau von Straßen fallen deutschlandweit jährlich mehr als 3 Millionen Tonnen mit Teer belastetem Straßenaufbruch an. Seit 2018 ist ein Wiedereinbau in Bundesfernstraßen nicht mehr zulässig. Der Großteil des Materials beinhaltet eine kostenintensive Lagerung auf Deponien. Die Folgen: Knapper Deponieraum und der Verlust von wertvollen Ressourcen.
Aktuell existieren lediglich zwei thermische Behandlungsanlagen für teerhaltigen Straßenaufbruch in den Niederladen. Dort wird das Material bei Temperaturen von 850 bis 1000 Grad verbrannt. Aber es besteht die Möglichkeit, dass sich die hohen Temperaturen negativ auf die Schlag- und Druckfestigkeit der Gesteinskörnung auswirken. In der Folge ist das Material nicht oder nur eingeschränkt für die oberen Tragschichten im Straßenbau oder anderen Hochbauanwendungen einsetzbar.
„Das neue Verfahren liefert einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Asphaltstraßenbau“, sagt André Täube, Geschäftsführer des Deutschen Asphaltverbands (DAV) e. V. „Die Deponierung teerpechhaltigen Straßenaufbruchs sowie Transporte in die Niederlande können durch neue Aufbereitungsanlagen in Deutschland vermieden werden. Das Niedrigtemperaturverfahren schont zudem die enthaltenen Gesteinskörnungen und ermöglicht so eine höherwertige Wiederverwendung, zum Beispiel in Asphaltbinderschichten, was wertvolle natürliche Ressourcen schont.“ Mit großem Interesse betrachte der DAV auch die anfallenden Prozessöle. „Sie kommen als Brennstoff, Verjüngungs- oder Bindemittel infrage. Hier bedarf es aber noch weiterer Forschung.“