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Podiumsdiskussion zur Carbon Management Strategie NRW: CO₂ in der Circular Economy mitdenken

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Autor: Hildegard Lyko

Am 20. Oktober 2021 stellte Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Dr. Andreas Pinkwart die Kohlenstoffstrategie seines Landes offiziell vor. Sie soll zusammen mit dem Ausbau von Erneuerbaren Energien und dem Wasserstoffsektor die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität bewirken. Wie das gehen kann, diskutierten Expert:innen aus Wissenschaft, Industrie und Politik am 22. November 2021 auf einer virtuellen Podiumsdiskussion. Unter der Moderation von Ute Soldierer diskutierten neben Andreas Pinkwart

Michael Theben, Leiter der Abteilung Klimaschutz im NRW-Wissenschaftsministerium,

Prof. Görge Deerberg, Stellv. Institutsleiter von Fraunhofer UMSICHT,

Dr. Iris Rieth, Projektmanagerin Kohlendioxid-Wirtschaft und Circular Economy beim Think Tank IN4climate.NRW,

Dr. Christoph Sievering, Head of Global Energy and Climate Policy & Site Transformation, Covestro AG

und

Arne Grotenrath, Experte für Treibhausgasbilanzierung bei GermanZero.

Die vier Pfeiler der Kohlenstoffstrategie

Kohlenstoff ist ein unverzichtbarer Rohstoff für die Chemieindustrie, die Kunststoffproduktion, die Stahlerzeugung u.v.m.

Der Weg zur klimaneutralen Industrie hat vier Stufen:

  1. Die Decarbonisierung (Verzicht auf Kohlenstoff): Wo kein Kohlenstoff verbraucht wird, kann kein CO2 emittiert werden. Ein typisches Beispiel dafür ist der Verzicht auf kohlenstoffhaltige Brennstoffe zur Energieerzeugung.
  2. Die Defossilisierung: Verzicht auf fossile Rohstoffe, stattdessen Einsatz von Biomasse als Kohlenstoffquelle
  3. Nutzung von Sekundärrohstoffen (Recycling)
  4. Carbon Capture and X: Abscheidung von CO2, Transport, Nutzung und Speicherung

Ein Beispiel für die Abscheidung von CO2 aus einem Abgasstrom und Umwandlung in einen Chemierohstoff gibt das bereits im Technikumsmaßstab umgesetzte Projekt Carbon2Chem, in dem CO2 aus dem Hüttengas der Stahlproduktion gewonnen und mit Wasserstoff zu Chemierohstoffen umgewandelt wird.

Das Wertschöpfungspuzzle neu zusammensetzen

Die Industrie in Deutschland ist eng verzahnt und energieintensiv, das trifft in besonderem Maße auch für die Industrie in NRW zu. Michel Theben erläuterte, dass Carbon Management viel mehr noch als beim Wasserstoff die Assoziation mitbringt, dass Produktionsprozesse und Vernetzungen zwischen Industrieunternehmen neu gedacht werden müssen. Schon heute sind unterschiedliche Industriezweige eng verzahnt, was an einer Stelle anfällt, wird an anderer Stelle genutzt. Dieses Wertschöpfungspuzzle muss nach Ansicht Thebens neu zusammengesetzt werden. Dabei geht es nicht nur um den Klimaschutz, sondern um die Rohstoffversorgung für Industrieunternehmen und letztendlich um den Erhalt der industriellen Produktion im Land. Teil des Wertschöpfungspuzzles werden CO2-Pipelines sein, die große CO2-Produzenten und Verbraucher verbinden (s. Bild).

CO2 in der Circular Economy mitdenken

An der Entwicklung der Carbon Management Strategie war IN4Climate.NRW neben dem Wirtschaftsministerium maßgeblich beteiligt. Iris Rieth machte deutlich, dass das Carbon Management eine Vielzahl von Technologien und Bereichen einschließt. Allerdings habe die Kreislaufwirtschaft in der Grundstoffindustrie noch keine echte Förderrichtlinie. Sie erläuterte, dass der bisherige Entwurf der Pipeline-Infrastruktur auf den existierenden energieintensiven Industrien in NRW basiert und dass nach möglichst wirtschaftlichen Verknüpfungen gesucht wurde. Von den kleineren CO2-Emittenten wurden nur jene berücksichtigt, die nahe an einer Pipeline liegen.

Carbon Monitoring ist wichtig

Um unterschiedliche Kohlenstoffströme nutzen zu können, braucht es ein Monitorinkonzept, davon ist Görge Deerberg überzeugt. Es sei wichtig, zu wissen, woher Kohlenstoff stammt, welche Stoffströme und welche Problematiken damit verbunden sind. Auf die Frage, ob Kohlenstoff zu 100 % recyclingfähig sei, gab er an, dass das nur im Labor möglich sei, aber in der industriellen Praxis mit Verlusten zu rechnen sei. Er gab zu bedenken, dass auch Recyclingprozesse mit Energieverbrauch verbunden seien und dass bei der Nutzung von Biomasse als Rohstoff die Landnutzung und der Wasserbedarf mitgedacht werden müssen. „Hier muss man aufpassen, dass man nicht ein Problem gegen ein anderes tauscht.“

Deutschland könnte bis 2035 klimaneutral werden

…und die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) sei nur Ultima Ratio und sollte so gering dosiert wie möglich angewendet werden, darauf wies Arne Grotenrath hin. Innerhalb der Klimaschutzorganisation GermanZero wurden unter Mitwirkung vieler Ehrenamtlicher zahlreiche Studien ausgewertet und daraus ein Maßnahmenkatalog erarbeitet, mit dem das 1,5 Grad-Ziel gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen erreicht werden soll. Die CO2-Bilanzierung von Produkten werde seit langem von verschiedenen Unternehmen mit Hilfe von Datenbanken und Softwareprodukten durchgeführt.

Pioniere in der Nutzung von CO₂ als Rohstoff

Bei Covestro  habe man schon frühzeitig angefangen, nach Nutzungsmöglichkeiten von CO₂ zu suchen, darauf wies Christoph Sievering hin.. Auf die Frage, wie sich die Kohlenstoffwirtschaft weiter entwickeln werde, vermochte er zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Antwort zu geben, freute sich aber, in NRW eine Plattform für  ihren Aufbau gefunden zu haben. Recycling und die Vermeidung von Abfall und von Verbrennungsprozessen sah er als vorrangige Schritte an. Wenn allerdings Produkte über sehr lange Zeiträume im Einsatz seien, reiche das Recycling bei weitem nicht aus, um den Rohstoffbedarf zu decken. Hinsichtlich möglicher Anbindungsmöglichkeiten von CO₂-Emittenten mahnte er Gerechtigkeit an: “Wir können nicht einer Industrie erlauben, ihr CO₂ in den Kreislauf zu speisen, während andere für teures Geld CO₂-Emissionsvermeidungsstrategien implementieren müssen.”

Weiterhin gaben Dr. Winfried Horstmann, Abteilungsleiter Industriepolitik im Bundeswirtschaftsministerium und Corina Mocanu, Policy Officer – International carbon market development and maritime issues bei der EU-Kommission in Grußworten die positive Sicht ihrer Häuser auf die NRW-Initiative wieder. Horstmann deutete an, dass das mittlerweile dritte CCS-Gesetz in Angriff genommen werden müsse, um Transporte von CO₂ in Deutschland zu ermöglichen und zu regeln.

Rahmenbedingungen schaffen

Der Wunsch nach der schnellstmöglichen Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anreize für die Umsetzung der Carbon Management Strategie wurde bei allen Podiumsteilnehmer:innen deutlich. Denn kommen diese nicht, droht “Green Leakage”, die Abwanderung von Unternehmen, weil sie in anderen Ländern bessere Bedingungen für die Transformation zur Klimaneutralität vorfinden. Die Stimmung war eindeutig: Es ist viel Pragmatismus gefragt : “Einfach mal loslegen und anfangen” (Michael Theben).

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