10.10.2022 Ι Ein sprunghaft gestiegener Salzgehalt in der Oder hat gemeinsam mit weiteren Faktoren für eine massive Vermehrung einer für Fische giftigen Brackwasseralge geführt. Eine deutsche Expertengruppe dokumentierte, dass die Brackwasseralge Prymnesium parvum eine giftige Substanz, die für Fische und andere Wasserorganismen tödlich ist, erzeugt. Unklar bleibt, wie die Brackwasseralge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten ist.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa hatten Mitte August die Einrichtung einer deutsch-polnischen Expertengruppe zur Aufklärung der Ursachen der Oderkatastrophe eingesetzt. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat maßgeblich an der Erstellung des Berichts mitgewirkt. Die polnische Seite hatte einen wissenschaftlichen Bericht beauftragt, der parallel veröffentlicht wurde. Mit Veröffentlichung der Berichte endet die Aktivität der deutsch-polnischen Arbeitsgruppe.
Was hat die Expertengruppe herausgefunden?
Die schnell angestiegene Salzkonzentration in der Oder sowie die Sonneneinstrahlung begünstigten das rasante Wachstum der Algenart Prymnesium parvum. Laut Bericht der Experten ist dies durch zahlreiche deutsche Wasserproben und Satellitenaufnahmen belegt. Mit mikroskopischen und molekularbiologischen Untersuchungen wurde die Brackwasseralge und das von ihr gebildete Algengift Prymnesin eindeutig identifiziert. Noch unklar ist, wie die Alge, die eigentlich im salzhaltigen Brackwasser in Küstennähe vorkommt, ihren Weg in die Oder gefunden hat.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke bezeichnet das Fischsterben in der Oder als „gravierende Umweltkatastrophe. Sie wurde durch menschliche Aktivitäten verursacht, das ist ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen“.
Um Spätfolgen zu vermeiden, muss laut der Expertengruppe sichergestellt werden, dass sich die Alge nicht erneut in der Oder sowie anderen Flüssen vermehrt. Lilian Busse, UBA-Vizepräsidentin und Leiterin der deutschen Delegation, ergänzt: „Außerdem sollten wir die Genehmigungen für das Einleiten von Chemikalien und salzhaltigen Wassers auf den Prüfstand stellen.“ Die bei den Untersuchungen an der Oder eingesetzte Non-Target-Analytik ist vielversprechend. Ihr Einsatz wird am Rhein bereits erprobt. Das Fischsterben in der Oder bietet auch Anlass, die Warn- und Alarmpläne der großen Flüsse zu überprüfen und anzupassen.
Gemeinsames Ziel der Regenration
Dass Gewässer teils zu hohe Salzgehalte aufweisen, ist auch aus anderen Flüssen in Deutschland bekannt. Der Salzgehalt der Werra etwa ist seit Jahrzehnten deutlich zu hoch, was an Salzeinleitungen aus dem Kalibergbau liegt. Warum aber der Salzgehalt in der Oder nun so schnell und derart stark angestiegen ist, müssen die polnischen Untersuchungsergebnisse zeigen.
Busse betont, dass es wichtig sei, „die Resilienz des Ökosystems Fluss-Aue im Klimawandel weiter zu stärken. In Zeiten des Klimawandels mit langen niederschlagsfreien Perioden und hohen Temperaturen überlasten die vielfältigen Nutzungen unsere Flüsse. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie fordert einen guten Zustand der Gewässer und enthält ein Verschlechterungsverbot. Ein naturnäherer, guter Zustand würde die Widerstandsfähigkeit der Flüsse stärken und gleichzeitig den Schutz vor Hoch- und Niedrigwasser verbessern. Die dafür notwendigen Maßnahmen müssen nun so schnell wie möglich umgesetzt werden.“
Die Renaturierung der Oder als Lebensraum seltener Arten und als Quelle wichtiger Ökosystemleistungen für die Menschen vor Ort wird künftig eine wichtige Aufgabe sein. Das Bundesumweltministerium treibt daher aktuell den Start eines Vorhabens im Rahmen des Bundesnaturschutzfonds voran. Dieses Vorhaben soll die Schäden des Ökosystems erfassen, die natürliche Regeneration verfolgen und Grundlagen für effektive Renaturierungsmaßnahmen legen. Fischer an der Oder sollen aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse bei der Projektumsetzung eine wichtige Rolle spielen.
Zukunftsorientierte Maßnahmen bereits eingeleitet
Zukünftig wird das Bundesumweltministerium betroffene Regionen unterstützen. Es sollen beispielsweise Umweltschäden analysiert werden und die Renaturierung vorangetrieben werden.
„Ausbaumaßnahmen an der Oder stehen einer erfolgreichen Regeneration entgegen. Daher suche ich den Austausch mit meiner polnischen Kollegin, um für dieses Verständnis zu werben und um gemeinsame nächste Schritte zu vereinbaren. Mit der Überarbeitung des Warn- und Alarmplans für die Oder wurde bereits begonnen“, so Lemke.
Zudem wird aufgrund des sich wandelnden Klimas überprüft, was den Flüssen weiterhin zugemutet werden kann. Lemke regt an, die Eileitung von Stoffen aus Kläranlagen in Flüsse stärker zu überprüfen und zu reduzieren. Sie werden dies im November mit den Bundesländern diskutieren.
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