Im Zementwerk Lengfurt entsteht derzeit eine wegweisende Kohlendioxid-Abscheidungs- und -Verflüssigungsanlage. Das Projekt “Capture-to-Use” (Cap2U) ist ein Joint Venture von Heidelberg Materials und Linde, das von Linde Engineering geplant und umgesetzt wird. Die Anlage soll jährlich rund 70.000 Tonnen CO2 aus dem Abgasstrom des Zementklinkerofens abtrennen und aufbereiten.
Abtrennung mittels Aminwäsche
Die Projektpartner wollen das klimaschädliche Kohlendioxid aus dem Abgasstrom eines Zementklinkerofens nachhaltig nutzbar machen. Durch den Einsatz der Aminwäsche-Technologie soll das Treibhausgas abgetrennt werden. Die Cap2U-Anlage nutzt eine speziell für Rauchgase entwickelte Aminwäsche zur CO2-Abtrennung. Die Technologie wurde in kleintechnischer Anwendung bereits erfolgreich in der Heidelberg Materials Tochtergesellschaft Norcem in Norwegen getestet. Im Zementwerk Lengfurt wollen die Industriepartner nun gemeinsam die deutschlandweit erste CO2-Abscheideeinrichtung durch Aminwäsche im industriellen Maßstab für die Zementindustrie errichten.
Bei der Aminwäsche reinigen organische Stickstoffverbindungen, sogenannte Amine, den Abgasstrom von CO2. Dieser wird dem Abgasstrom des Zementwerkes zugeführt und anschließend in die Atmosphäre abgegeben. Das in der Aminlösung gebundene CO2 wird mit Hilfe von Wärme aus der Lösung ausgetrieben und anschließend für die weitere Verwendung vorbereitet. Mithilfe dieses Prozesses können jährlich bis zu 70.000 Tonnen CO2 abgeschieden werden, was die jährlichen Kohlendioxid-Emissionen des Zementwerks Lengfurt um zehn Prozent verringert.
Ganzheitlicher Anlagenbau
Zusätzlich umfasst das Projekt Anlagen zur Reinigung und Verflüssigung, Tanks zur Zwischenspeicherung sowie Verladeeinrichtungen. Im November 2024 wurden die ersten großen Anlagenteile errichtet, darunter eine 54 Meter lange und 100 Tonnen schwere Absorptionskolonne.
Ein besonderer Aspekt des Projekts ist die Verwendung von R-Beton für die Bodenplatten der Anlage. Durch eine Kooperation zwischen Heidelberg Materials Mineralik und der Reithelshöfer Gruppe wurden rund 1000 m³ R-Beton eingesetzt. Diese Lösung ermöglicht eine CO2-Reduzierung von fast 60 Prozent in den verwendeten Betonsorten und demonstriert das Engagement für ganzheitliches Baustoffrecycling und Kreislaufwirtschaft.
CO2 als Rohstoff nutzen
Die Cap2U-Anlage, deren Inbetriebnahme für 2025 geplant ist, wird es erstmals ermöglichen, das abgeschiedene CO2 aus der Zementproduktion als Rohstoff für industrielle Anwendungen weiterzuverwerten. Das aufbereitete Gas kann aufgrund seiner hohen Reinheit sowohl in der Chemie- als auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, beispielsweise als Kohlensäure in Mineralwasser.
Die Umsetzung des Projekts wird neben den Investitionen des Joint Ventures auch durch Fördermittel aus dem Programm “Dekarbonisierung in der Industrie” des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unterstützt. Dies unterstreicht die Bedeutung des Projekts für die Erreichung der Klimaziele in der Industrie.
Mit der Cap2U-Anlage setzen Heidelberg Materials und Linde neue Maßstäbe in der CO2-Abscheidung und -Nutzung. Das Projekt demonstriert eindrucksvoll, wie innovative Technologien und nachhaltige Bauweisen kombiniert werden können, um die Zementindustrie umweltfreundlicher zu gestalten und gleichzeitig neue Wertschöpfungsketten zu erschließen.